Kurzfristig meldeten wir uns zur Walchsee – Mitteldistanz 2019 an, nachdem wir erfahren hatten, dass sie eine Quali für die EM der Age Grouper 2020 über die Mitteldistanz sei. Anmelden ist ja noch easy cheesy! Ich kam von der Irlandsprachwoche heim und packte um – Neo ja, Neo nein, Radschuhe, Reserveradschuhe und vor allem – viel Sonnenschutz! Die Prognosen versprachen ja hochsommerliche Temperaturen. Aber auch in Irland hatten sie eine Wetterwarnung ausgegeben. Keine Schlecht-, sondern eine Schönwetterwarnung: 28 Grad auf der gesamten Insel. So hatte ich mir einen Sonnenbrand auf der Stirn geholt, als wir beim Meer picknickten. Aber wen interessiert das? Okay, okay, wieder zum Sport zurück: ich blickte freudig dem Schwimmen entgegen – 25 Grad Wassertemperatur und KEIN Neo – schon beim letzten Sprint in Litschau hatte ich geschwitzt und geschwitzt. Sicher, euch würden Berichte der Profis über die Langdistanz eher ansprechen, aber auch einem Mittelklasse-Hobbytriathleten würde diese heiße Mitteldistanz ewig in Erinnerung bleiben. Schließlich war es mein drittes Walchsee Rennen und immerhin hatte ich die EM auf Platz 18 gefinisht (Sub 6 Stunden). Das war an diesem Wochenende auszuschließen. Wir verbanden Familienurlaub mit Sport – schließlich heißt es ja Challenge Family – und quartierten uns am Ottenhof ein, wo Sofie ihr Pferd her hat und wir am Anreisetag gleich Svenja Thoes trafen. So zart, so zäh, so stark, so schnell! Meine Pizza am Abend schmeckte mir gar nicht, da ich immer das Gefühl habe, dass die Kohlenhydrate 1 zu 1 in Fett auf dem Bauch umgewandelt werden und dass ich nach Kohlenhydraten immer mehr Hunger habe. Aber Kaiserschmarren hatte es nach der Eröffnung der Kaiserschmarrenparty nicht mehr gegeben (kamen nach einer Stunde hin) und Carbonloading musste vor einer Mitteldistanz einfach sein. Am Renntag wachte ich mit einem super Gefühl auf. In Irland war ich nur dreimal im Fitnesscenter gewesen und ich war heiß und hungrig auf Sport und auf langen Sport. Mitteldistanzen (immerhin hatte ich schon acht absolviert) interpretiere ich wie mein Freund H.: einen ganzen Tag Sport – juchhu! Wir saßen neben Nils Frommhold im Schatten und sahen uns einige Profitricks vor seinem Start an. Auch er hat Familie – wie nett. Unser privater Fanclub positionierte sich an der Laufstrecke.
Der Rolling Start war mir beim Schwimmen auch nicht unrecht und ich reihte mich bei 00:40:00 ein, meine Neoschwimmzeit von 2016. Heuer würde es langsamer werden. Ich war während der 1900m Strecke in weit weniger Positionskämpfe verwickelt wie beim 70.3 in St. Pölten. Die Freude und der Genuss des Schwimmens waren leider allzuschnell vorbei und so fand ich mich nach 43:00 auf der anderen Seite des Sees wieder und lief zu meinem Radsack. Die Schuhe hingen ja am Rad und schnell rauf auf meine Rennmaschine und auch ganz schnell auf die Radstrecke raus, vorbei an den Geländern, an denen Christian 2016 – von einem Iren (Irland) bedrängt – der links und rechts verwechselte – hängenblieb und ein DNF durch einen Überschlag provozierte. Die Hälfte des Radsplits war schwer in Ordnung, ich traf den Leiti am Motorrad und jubelte ihm zu. Schließlich holte ich mir heute mein Ticket für die EM 2020 ab. Doch dann ging’s los: ständig war meine Trinkflasche leer und so viele Laben gab’s nicht. Ich stellte mich um und nahm zwei Wasserflaschen auf einmal. Die Isoflaschen waren nur viertelvoll und die sparte ich mir. Mein Trick, durch den ich einmal auf einer heißen Mitteldistanz österreichische Vizemeisterin wurde, mir Wasser durch die Radhelmschlitze zu gießen, funktionierte diesmal nicht so recht, denn schön langsam fing ich zu kochen an.
Auch meine Radleistung wurde schlechter und schlechter. Aber gottseidank verspürte ich keinen Schwindel und von meiner einmaligen Halbmarathonbestzeit wusste ich, dass es erst kritisch wird, wenn dir kalt wird. Nach der ersten Runde waren meine Beine ein wenig angezählt und ich machte nicht mehr viel Druck auf dem Rad. Die letzten zwanzig Radkilometer wurden noch schlimmer, da quälte mich stechendes Kopfweh und ich fürchtete eine richtige Migräne, wie sie sich gewaschen hat. So eine befällt mich manchmal am Ende des Bewerbes zu Hause. Würde das Kopfweh stärker, müsste ich aufhören. Was könnte ich tun? An der Haltelinie sprang ich vom Rad, ein wenig froh, keine Radpanne gehabt zu haben und das Kopfweh würde ich schon irgendwie wegbekommen. Ich wollte zu meinem Laufsack laufen, doch das war eher hölzernes Gestampfe. Gott, oh Gott, meine Beine. Jetzt würde aber das Rennen erst so richtig losgehen – ein Halbmarathon bei 35 Grad.
Ein neuer Hitzerekord im Juni für Tirol versprach keineswegs eine neue persönliche Bestzeit im HM. Sicher nicht. Am Tag zuvor waren wir uns eingeschwommen und genau an der Stelle zog ich meine Schuhe und Socken – zur Verwunderung der Fotografin nebenbei – aus und sprang in den See. Mit dem Kopf unter Wasser. An der Laufstrecke beutelte ich mich bei der ersten Kaltwasserdusche ein wenig ab und sagte, “Herrlich.” So kam ich auch in der zweiten Laufrunde wieder zu meinem Bad im See und – man höre und staune – das Kopfweh war weg. Sicher bin ich nur ein kleiner Hobbytriathlet, aber sich zu fokussieren mit einem Endziel ist goldeswert. Zuerst war das Wegkriegen der Kopfschmerzen mein Ziel und jetzt fokussierte ich mich wieder auf mein Endziel: weniger langsam als alle anderen rings um mich herum zu laufen und noch eine halbwegs passable Laufzeit hinter meinem Namen stehen zu haben.
Manche Sportler zeigten sich beeindruckt über die, die gefinisht haben. Es war gar nicht so schwer. Wir überholten und überholten und überholten. Zunächst noch Läufer, dann immer mehr Fußgänger. Als sie an der vorletzten Labe “She’s a Maniac” von Flashdance anspielten, legte ich noch einen Zahn zu und trug dieses super Gefühl mit mir ins Ziel: eiserner Wille und mentale Stärke waren diesmal deine Verbündeten gewesen im Kampf gegen die Hitze, deinen Gegner. Dieser Gegner hatte alle herausgefordert und die, die nicht DNF verzeichneten (DNS gab es auch seitenlang im PDF der Resultate) hatten eben diesen Vorteil gehabt, dass der Geist sehr wohl den Körper ( sechseinhalb Stunden lang wie bei mir) überlisten, austricksen und besiegen kann und dass, wenn man dementsprechend trainiert hat und ist, ein DNF absolut KEINE Option ist. So lief ich erhobenes Hauptes – megastolz – mit einer Zeit, die nur 5 Minuten “mehr Bart” als meine heurige 70.3 Zeit hat, durch den Zielbogen, wobei mir die Tränen runterkullerten. Easy cheesy lemon squeezy war das nicht gewesen, aber gerade das erzeugt die Gänsehaut und bereitet umso mehr Freude über das Gefühl, durchgehalten zu haben und das wirkt umso überwältigender auf eineN! Neue Lektion: Die Freude über den inneren Schweinehund wächst also mit dem Schwierigkeitsgrad, ihn zu besiegen! So long, Walchsee, bis nächstes Jahr, dann nehme ich es wieder mit dir auf!