Ein aufsehenerregender Rechtsstreit erschüttert derzeit die Sport-Tech-Branche: Strava hat überraschend Klage gegen Garmin eingereicht. Die Forderungen sind weitreichend und umfassen nicht nur den Stopp des Verkaufs von Garmin-Geräten wie Sportuhren und Fahrradcomputern, sondern auch die Einstellung des Betriebs der App Garmin Connect. Im Fokus der Klage stehen insbesondere Garmins Funktionen zu Heatmaps und Segmenten, wobei Strava Patentverletzungen geltend macht.
Der vordergründige Patentstreit:
Obwohl die Klage auf den ersten Blick wie ein klassischer Patentkonflikt erscheint, liegt die eigentliche Motivation tiefer. Dennoch ist das Verständnis der Patentfragen essenziell:
- Heatmaps und „Popularity Routing“: Bei Heatmaps handelt es sich um Kartenansichten, die auf Basis der von Nutzern gesammelten Aktivitätsdaten die besonders beliebten und häufig frequentierten Wege oder Straßen für Radfahrer oder Läufer darstellen. Garmin nutzt diese Daten, um etwa bei der Routenplanung von A nach B automatisch Strecken vorzuschlagen, die aufgrund ihrer Beliebtheit bei Sportlern als besonders geeignet gelten. Strava beruft sich hier auf ein Patent, das 2014 angemeldet und 2016 genehmigt wurde.
- Segmente: Segmente sind fest definierte Streckenabschnitte, auf denen die sportliche Leistung gemessen und in Bestenlisten verglichen wird. Ein Segment kann beispielsweise eine Bergauffahrt sein, bei der es darum geht, die schnellste Zeit zu erzielen und sich den KOM/QOM (King/Queen of the Mountain) zu sichern. Strava führte diese Funktion bereits 2009 ein und meldete ein Jahr später ein Patent an. Garmin zog 2014 mit einem eigenen Segment-System nach, das in Geräte wie den Edge 1000 integriert wurde.
Experten sehen geringe Erfolgsaussichten für Strava
Die Klage stößt bei Branchenkennern auf Skepsis. Experten sehen insbesondere bei den Heatmaps geringe Erfolgschancen für Strava, da Garmin ähnliche Visualisierungen bereits im März 2013, also anderthalb Jahre vor Stravas Patentanmeldung, in ausgewählten US-Städten anbot. Auch andere Anbieter experimentierten frühzeitig mit vergleichbaren Kartenfunktionen.
Bei den Segmenten erscheint die Sachlage komplizierter, da Garmins System auf den ersten Blick eine starke Ähnlichkeit zu Stravas etablierter Funktion aufweist. Allerdings wirft sich die Frage auf, warum Strava erst mehr als ein Jahrzehnt nach Garmins Einführung dieses Systems rechtliche Schritte einleitet.
Der wahre Hintergrund: Streit um die Garmin API
Der eigentliche Zündstoff für Stravas Vorgehen scheint eine kürzliche Änderung in Garmins Partner-API (Programmierschnittstelle) zu sein. Da Strava keine eigenen Hardware-Tracker produziert, ist der Dienst zwingend auf die API angewiesen, um den Upload von Nutzeraktivitäten von Garmin-Geräten – einem Marktführer bei Sportuhren und Radcomputern – zu ermöglichen.
Seit Juli verlangt Garmin von Partnern wie Strava, das Garmin-Logo prominent auf allen Aktivitäten zu platzieren, die über die API übertragen werden. Diese Anforderung stieß bei Strava auf erbitterten Widerstand. Chef-Produktmanager Matt Salazar erklärte in einem Reddit-Post, dass man diese Richtlinie als unverhohlene Werbung empfinde, die das Nutzererlebnis für über 150 Millionen Sportler verschlechtere. Salazar betonte, die aufgezeichneten Aktivitäten gehörten den Nutzern, die sie frei und ohne Marketingzwänge übertragen können sollten. Trotz monatelanger Verhandlungen scheiterte eine Einigung. Garmin drohte daraufhin, den API-Zugang zum 1. November zu sperren, sollte Strava die Vorgabe nicht erfüllen, was den automatischen Upload von Garmin-Aktivitäten zu Strava unterbinden würde.
Kritische Stimmen in der Reddit-Community werfen Strava jedoch eine gewisse Doppelmoral vor, da der Dienst selbst sein Logo prominent platziert, wenn Nutzer ihre Aktivitäten in sozialen Medien wie Instagram teilen.
Der Streit wird auf dem Rücken der Nutzer ausgetragen
Die Auseinandersetzung droht, sich zu einem Konflikt zu Ungunsten der Nutzer zu entwickeln. Eine Kappung der API würde für Millionen von Sportlern, die Garmin-Hardware nutzen und ihre Daten automatisch zu Strava, dem Marktführer unter den Fitness-Apps, übertragen wollen, eine deutliche Verschlechterung bedeuten.
Sowohl für den Hardware-Marktführer Garmin als auch für den App-Marktführer Strava steht in diesem Rechtsstreit viel auf dem Spiel, da ihre Geschäftsmodelle in hohem Maße von der reibungslosen Koexistenz abhängen.