Ein Problem das wohl jeder kennt: für viele Leute im Umfeld ist es unvorstellbar, wie man Triathlon machen kann. Man schindet sich, man opfert praktisch alle Zeit die man hat, man muss Freunden absagen, man investiert Unmengen an Geld, um am Ende “dann ohnehin nicht zu gewinnen”.
“Wie kann man bloß Triathlon machen?” Mit Haushalt, Job, Kind,… und dann auch noch eine Langdistanz! “Wozu? Am Ende landest du doch nur im Mittelfeld oder dahinter”.
All das hab ich gehört, als ich beschlossen habe 2019 meinen ersten Ironman zu machen.
Zugegeben, es brauchte schon etwas Wille und Motivation, um nicht eben nur “ein bisschen Sport” zu machen, sondern 3 Sportarten, in dann auch noch diesen Distanzen. Ganz abgesehen von Organisationstalent, einem guten Backup aus Familie & Freunden und einer gehörige Menge an Leidenschaft.
Aber genau diese Leidenschaft ist es, die es wohl ausmacht. Denn in einem Punkt hat mein Umfeld recht: Nein, ich habe nicht gewonnen. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. Ich belege beim Ironman nicht den ersten Platz, aber ich bringe meine Leistung, freue mich über meine 12-13h genauso wie der Sieger über seine 7-8h. Ich wachse über mich hinaus, habe im Ziel meinen kleinsten größten Fan stehen, blicke zurück auf 243 lustige Tage, liebe das was ich tue und das Gefühl das damit einhergeht. Wenn man das alles summiert, kann ich eigentlich behaupten: Doch, ich GEWINNE!
243 Tage lustige Tage?
Viele Einheiten trainiere ich MIT Kind. Oft geht’s ohnehin nicht anders, aber genauso oft machen wir das ganz freiwillig. 😉 Wir lieben es, wenn sie radelt und ich laufe. Natürlich kann ich dann keine 20km laufen, oder nicht das Tempo das ich möchte. Aber wir können gemeinsam Zeit verbringen. Ich bin gelaufen, sie hat Spaß und wir haben auch noch Ziegen, Hühner und Esel gesehen. Das wir bei all diesen Tieren einen kleinen Stopp einlegen müssen ist klar! – aber ist es am Ende nicht völlig egal? Wie viele Minuten werde ich beim Ironman schneller sein, wenn ich an den Hühnern vorbei hetze und sie keines Blickes würdige? Wahrscheinlich keine einzige. Und ich werde mir im Ziel keine einzige Minute denken “gut das ich nicht bei den Eseln stehen geblieben bin”.
Aber WENN wir stehen bleiben, dann bleibt es mir in Erinnerung. Weil ich es liebe, wenn klein A. wieder aufs Rad steigt und sagt “Hopp Hopp Mama, weiterlaufen”. Und weil es mir ein Lächeln auf die Lippen zaubert, wenn sie fröhlich “Tschüss Esel, bis übermorgen” schreit.
Natürlich muss man seinen Alltag an den Trainingsplan anpassen. Dass ich frühmorgens in die Arbeit laufe um schonmal etwas abzuhaken, oder noch ins Schwimmtraining gehe wenn meine Tochter schon schläft, sind Einheiten die an der Tagesordnung stehen und getan werden müssen.
Es sind aber bestimmt nicht die, auf die ich am Ende zurückblicke.
In Erinnerung bleiben aber die Tage, an denen wir 100 Hühner sehen, an denen wir uns Namen für jeden einzelnen Vogel unterwegs ausdenken, diejenigen an denen meine Tochter mich laut lachend durch den Wald hetzt obwohl ich eine Ausdauereinheit hätte. Es bleiben die Radfahrten mit Kind im Sitz, wo sie nach 30km fröhlich “bitte noch weiterfahren” schreit, obwohl es für mich gefühlt 300x so anstrengend ist wie am Rennrad.
Es sind unseren gemeinsamen Lauf/Radeinheiten, bei denen wir stehenbleiben müssen weil eine Schnecke am Wegrand liegt, oder der unglaublich anstrengende Lauf durch den Schnee, bei dem ich Sie am Bob hinter mir herziehe und sie vor lauter Lachen Schluckauf hat.
Es ist die Ziege, dich ich mittlerweile schon begrüße, auch wenn ich alleine daran vorbeilaufe.
243 Tage Ironmantraining um nicht am Ende zu gewinnen, sondern jeden Tag.
Auch 2020 habe ich mich für den Ironman angemeldet. Die anfängliche Kritik von außen ist im Laufe der Zeit aber verstummt. Die meisten verfolgen begeistert meinen Weg, und fühlen sich inspiriert doch auch mal den “Hintern hochzukriegen”. Freunde die nicht verstehen wieso man an einem Freitagabend lieber ins Hallenbad geht anstatt in eine Bar, sind weniger geworden.
Und mittlerweile sind es genau die, die jemandem anderen stolz erzählen dass sie eine Triathletin kennen. Es hebt sich also auf! 😉
Natürlich ist nicht immer alles fröhlich Sonnenschein, aber bei 243 Trainingstagen dürfen ruhig auch ein paar unmotivierte dabei sein. Oft sind es die, an denen ich selbst keine Zeit habe, und meine Trainingskollegen dann ohne mich gemeinsam durch die sonnige Landschaft radeln. Oder jene, an denen ich das Kind ins Bett bringe und am liebsten gleich liegen bleiben würde, aber trotzdem nochmal aufstehe um am Ergometer meinem Trainingsplan gerecht zu werden.
Aber es sind 243 Tage an denen ich tue was mir Freude bereitet.
Und egal wie der Tag war – wenn ich am Ende des Tages die Laufschuhe schnüre (entweder alleine oder mit Kind, das fröhlich singend aufs Rad steigt) ist er perfekt!
Sollte der Zieleinlauf ein paar Minuten später sein als geplant, dann war es das wert. Die Gänsehaut hab ich trotzdem, und die gemeinsamen Erlebnisse kann uns keiner mehr nehmen.
Mein kleinster größer Fan und ich sind bereit für den Weg zum Ironman 2020!