Noch nie gab es derart viel Widerstand gegen ehemalige Dopingsünder, wie im Comeback Fall von Lisa Hütthaler. Und noch nie sorgte ein Comeback einer Athletin für so viel internationale Aufregung über die Landesgrenzen hinweg. Selbst zu Zeiten eines Hannes Hempels war das Feedback eher auf den deutschsprachigen Raum beschränkt – aktuell wird aber weltweit in der kleinen Triathloncommunity diskutiert.
Wir blicken zurück: Lisa Hütthaler war tief in den Doping Sumpf verstrickt. Ein positiver Dopingtest, Bestechungsversuch im Anti Doping Labor Seibersdorf, Weiterverkauf von Dopingmitteln, … Das damals von Hütthaler gezeichnete Bild des Profi Sports war verheerend. Spitzensport in den Augen von Hütthaler nicht ohne Doping möglich „Das gehöre zu den Spielbedingungen“.
Seit diesen Interviews und den von Hütthaler gezeichneten Bildern sind einige Jahre vergangen. Die Aufregung um Hütthaler hat sich allerdings nicht gelegt – gerne gesehen ist sie in der Szene bei den Profi Athleten nicht.
Caroline Steffen postet etwa am Tag nach dem IRONMAN 70.3 St. Pölten „Sad day for our sport. WTC should change there rules“ (Ein trauriger Tag für unseren Sport. Die WTC soll ihre Regeln ändern.)
Belinda Granger etwa: „Could not agree with you more….it is an utter disgrace that we are allowing drug cheats into our sport with open arms. I have been racing now for over 20 years and it sickens me to my stomach to see good honest and hard working athletes being robbed of their livelihood.”
Und Frank Vytrisal aus Deutschland: “Wenn ich mir die Ergebnisse dieser beiden Rennen anschaue, empfinde ich Zorn, Unverständnis, Mitleid und Ratlosigkeit.“
Und auch Helle Frederiksen (Teilnehmerin an den Olympischen Spielen 2012 in London) erhebt ihre Stimme: „Lisa is not the only one and there are probably a few out there. So is it right that those that have once cheated are eligible to compete in major championships, claim race victories and receive race prize money?” Und liefert die Antwort gleich mit “NO!”
Wie konträr die Meinung allerdings sind, sieht man auch an folgendem Statement auf Facebook: „Ich wünsche Ihr weiter viel Erfolg und viel Kraft, die bösartigen Feindseligkeiten auszuhalten. Neid muss man sich erst verdienen.“
Und Wilhelm Lilge: „Und im konkreten Fall bin ich nach Studium der Fakten (früheres Training, derzeitiges Training, Gewicht, etc…) überzeugt, dass LH (Anmerkung: Lisa Hütthaler) (derzeit die meist- und bestkontrollierte Ausdauersportlerin Österreichs) auch ohne Doping zumindest im 70.3 deutlich stärkste Österreicherin ist. Und zwar, ohne dass sie von früherem Doping profitiert. Aber auch ich kann nicht beweisen, dass sie jetzt „sauber“ unterwegs ist (sehe aber keine Indizien, die dagegen sprechen)„
Im Vergleich zu anderen Sportarten hat der Triathlon eine Chance, seine Glaubwürdigkeit im Kampf gegen Doping nicht zu verlieren. Andre Messick, Chef der World Triathlon Corporation und für die IRONMAN Bewerbe verantwortlich sagt in einem Interview mit Kai Baumgartner „Das Geschäft des Profi-Radsports dreht sich um Teams und Fahrer, Medien und Sponsoren. Triathlon als Geschäft hat als zentralen Punkt den Altersklassenathleten.“ Und genau diese Athleten erheben ihre Stimme sei es über soziale Netzwerke oder aber auch in ihren Beiträge auf Internetseiten. Und die Stimmen für einen ernsthaft geführten Kampf gegen Doping nehmen glücklicherweise zu. Nur durch die breite Masse an Altersklasseathleten können Organisationen dazu gebracht werden, einen glaubwürdigen Kampf gegen Anti-Doping zu führen. Denn der Anti – Doping Kampf ist selbst für die Organisationen ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite sagen sie ja zu einem sauberen Sport, auf der anderen Seite wollen sie aber bei ihren Athleten keine positiven Proben sehen.
Sandrina Illes, ambitionierte Duathletin aus Österreich schreibt etwa auf Facebook zur IRONMAN 70.3 Reportage des ORF Sport +: „St. Pölten 70.3 Reportage auf ORFsport+: Dopingsiegerin Hütthaler besteht darauf, die „alten Geschichten“ ruhen zu lassen (eigentlich sollte sie die Letzte sein, die darüber bestimmt …) und als Erklärung, warum sie jetzt noch schneller als früher ist, nennt sie „veränderte Prioritäten“ (Kind, etc.) und anderes Training sowie eine Ernährungsumstellung. Ich könnt kotzen. Für wie blöd werden wir eigentlich hier verkauft???“
Paul Reitmayr, ÖTRV Kaderathlet: „Toller Bericht!! Dennoch war ich ab und zu kurz davor den Fernseher auszuschalten weil ich den Anblick der Siegerin kaum ertragen hab.„
Nach dem Triathlonbewerb in Neufeld schrieb der beste Österreicher Christophe Sauseng in seiner bekannten sarkastischen Art: „Danke Lisa Hütthaler für das Verbrennen meiner Konkurrenten Moser und Frühwirt. Schwangerschaft und Ernährungsumstellung? – mach ich 2014 auch!„
Auf alle Beiträge in den sozialen Medien erhitzen sich die Gemüter und die kritische Stimmen, welche Leistungen stark hinterfragen nehmen von Wettkampf zu Wettkampf zu.
Auf Facebook formiert sich eine Gruppe „Keine Doper in unseren Rennen“ der unter anderem auch einige Profi Athleten angehören und sich aktiv an der Diskussion beteiligen. Der Gruppe geht es nicht um die Überführung von Dopingsündern (dafür gibt es die nationalen und internationalen Anti Doping Agenturen, sondern um das Aufzeigen von Versäumnissen und das Bewusstmachen des Problems. So ging vermutlich an vielen Athleten vorbei, dass die WTC mehrere hundert Athleten mit einer „PRO Lizenz“ ausstattet. In deren Testpool allerdings gerade einmal 50 Athleten befinden. Man argumentiert, dass die anderen Athleten in einem nationalen Test Pool sich befinden. An namhaften Beispielen sieht man allerdings, dass die Kommunikation der WTC mit den nationalen Verbänden nicht immer reibungslos verläuft und der eine oder Athlet, bzw. die eine oder andere Athletin im Raster durchrutscht.
Sportrechtlich gesehen dürfen ehemalige Dopingsünder nach der Sperre wieder an Wettkämpfen teilnehmen. Die „zweite Chance“ ist elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft. Ohne „zweiter Chance“ keine Möglichkeit, in der Vergangenheit gemachte Fehler wieder gut zu machen und ein normales Leben zu führen. Von dieser Möglichkeit sollten wir nicht abweichen. Interessant wird es, den Gedanken von Helle Frederiksen weiterzudenken. Teilnahme an Wettkämpfen Ja – aber keine Qualifikation zu nationalen sowie internationalen Meisterschaften und keine Möglichkeit, Preisgeld zu gewinnen. Welche Motivation sollte der Athlet dann noch haben, als Profisportler zurück zu kommen? „Ruhm und Ehre“ können es jedenfalls nicht mehr sein.
update 12.06: Für ein klärendes Interview mit kritischen Fragen steht Lisa Hütthaler leider nicht zur Verfügung. Wir wollten ein Interview führen, in dem wir Lisa Hütthaler die Möglichkeit einräumen, sich zum Spiegel Interview zu äussern, bzw. die oberflächlichen Kommentare („Ernährungsumstellung“, ) ihrerseits weiter zu erläutern. Sie richtete uns aus, dazu zu einem späteren Zeitpunkt in einem geeigneten Medium Stellung zu nehmen. Wir formulierten vorab zwei Fragen, die leider unbeantwortet bleiben:
Du hast auch in deiner alten Karriere Leistungssport auf Spitzenniveau trainiert. Wenn EPO den zusätzlichen „boost“ mit 5 % bringt, warst du ja auch ohne Doping „nicht gerade schlecht“. Was hat sich in deinem Training verändert, um dich noch weiter nach vorne zu bringen?
Du hast dich damals bestimmt nicht nur von „Schoko und Gummi Obst“ ernährt, und jetzt nochmals deine Ernährung umgestellt. Was hast du konkret umgestellt, und welche Veränderungen hast du davon bemerkt?
update 18.06: In einigen Berichten rund um dieses Thema wird immer wieder ein Argument vorgebracht, welches lautet, dass es keine Langzeitstudien zum Thema gibt, ob Doping auch nach der Sperre noch Vorteile bringt. Das Argument ist nicht ganz korrekt, denn 2005 wurde eine derartige Studie veröffentlicht. Anders Eriksson, Fawzi Kadi, Christer Malm, Lars-Eric Thornell haben in Schweden die Langzeitauswirkungen von anaoblen Sterioden wissenschaftlich nachgewiesen. Gegen 35 € kann die Studie hier bezogen werden.
Die Kurzzusammenfassung: „The morphological appearance of the vastus lateralis (VL) muscle from high-level power-lifters on long-term anabolic steroid supplementation (PAS) and power-lifters never taking anabolic steroids (P) was compared. The effects of long- and short-term supplementation were compared. Enzyme-immunohistochemical investigations were performed to assess muscle fiber type composition, fiber area, number of myonuclei per fiber, internal myonuclei, myonuclear domains and proportion of satellite cells. The PAS group had larger type I, IIA, IIAB and IIC fiber areas (p<0.05). The number of myonuclei/fiber and the proportion of central nuclei were significantly higher in the PAS group (p<0.05). Similar results were seen in the trapezius muscle (T) but additionally, in T the proportion of fibers expressing developmental myosin isoforms was higher in the PAS group compared to the P group. Further, in VL, the PAS group had significantly larger nuclear domains in fibers containing > or = 5 myonuclei. The results of AS on VL morphology in this study were similar to previously reported short-term effects of AS on VL. The initial effects from AS appear to be maintained for several years.„