Windschattenfahren ist im Triathlon ein großes Thema: Bei einer Geschwindigkeit von 13,5 km/h übersteigt der Luftwiderstand bereits den Rollwiderstand; bei 30 km/h/174 Watt (W) macht der Luftwiderstand schon 83 % am Gesamtwiderstand aus . Das geschlossene Hintereinanderfahren bringt also schon bei geringer Geschwindigkeit ein Kraftvorteil, der sich zum Wettkampf-Tempo hin massiv steigert.
Was gilt allgemein zum Hintereinanderfahren?
Von einem Hintereinanderfahren ist rechtlich zu sprechen, wenn sich zwei oder mehrere Radsportler in (annähernd) gleicher Spur nacheinander fortbewegen, wobei der Abstand so gering ist, dass das Verhalten des Vorausfahrenden stets Einfluss auf den Nachfahrenden haben kann.
Auch Radsportler haben dabei grundsätzlich einen solchen Abstand zum Vorausfahrenden einzuhalten, dass jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist (§ 18 Abs. 1 StVO). Der richtige Abstand zum Vordermann hängt von den jeweiligen Umständen ab. Als Mindest-Sicherheitsabstand gilt der Reaktionsweg (Faustformel: Geschwindigkeit x 0,3).
Diese Rechtslage steht mit dem Windschattenfahren im Spannungsverhältnis: Bei einer gängigen Radgeschwindigkeit von 30 km/h beträgt der rechtliche Mindest-Abstand 9 m (30 x 0,3). Mit einem solchen Abstand befindet man sich aber praktisch außerhalb der Windschattenzone. Erlaubtes Hintereinanderfahren unter gleichzeitigem Windschatteneffekt ist damit ausgeschlossen. Umgekehrt ist das effiziente Windschattenfahren allgemein rechtlich unerlaubt.
Hintereinanderfahren – Gefahren und betroffene Personen
Die Rechtssituation schützt im Straßenverkehr außerhalb von Sondersituationen die Verkehrsteilnehmer vor den Risiken des Hintereinanderfahrens:
Der geringe Tiefenabstand birgt zunächst ein erhöhtes Kollisionsrisiko zwischen Vorder- und Hintermann in sich: Selbst bei sofortiger Gefahrerkennung und Abwehrhandlung (Auslenken, Bremsen) lässt die Unterschreitung des notwendigen Abstands oft keine effektives Abwehrverhalten zu.
Weiteres Risiko ist die hoch einschränkte Sicht: Das Blickfeld ist durch die Nähe zum Vordermann stark reduziert. Die Sichteinschränkungen führen zur verzögerten-/unterbleibenden Reaktion und unzureichenden Abwehrmaßnahme.
Schließlich führt die erhöhte Aufmerksamkeit/Bremsbereitschaft des Hintermanns zur Vernachlässigung der weiteren Verkehrsverhältnisse. Wichtige Kontrollblicke seit- und rückwärts sind nicht mehr möglich.
Die gefährdeten Personen im Risikobereich einer solchen Fahrweise:
- Verkehrsteilnehmer im Gegen-/Querverkehr der Windschattenfahrer
- Windschattenfahrer überholende oder überholte Verkehrsteilnehmer
Ein Unfall durch Windschattenfahren führt daher allgemein zur Haftung des Windschattenfahrers: Der Windschattenfahrer hat dem Geschädigten Schadenersatz (Schmerzensgeld, Reparatur- und Heilkosten, Verdienstentgang etc.) zu leisten. Erleidet der Windschattenfahrer selbst einen Schaden werden seine eigenen Ansprüche entweder gekürzt (bei Mitverschulden der weiteren Unfallbeteiligten) oder sie entfallen zur Gänze (bei Alleinverschulden).
Diese Situation gilt bei Windschatten-Unfällen mit außenstehenden Verkehrsteilnehmern (zB. PKW-/Motorradlenker, Radfahrer/Fußgänger außerhalb des Radpulks etc). Wie sieht es bei Unfällen unter den Windschattenfahrern aus?
Haftung der Triathleten untereinander beim Windschattenfahren
Wer an einer sportlichen Veranstaltung teilnimmt, nimmt das in der Art der Veranstaltung liegende Risiko auf sich und handelt insoweit auf eigene Gefahr. Die Haftung orientiert sich also am Charakter des Triathlonbewerbs und hängt somit davon ab, ob es sich um einen Wettbewerb unter Windschattenfreigabe oder unter Windschattenverbot handelt.
Wettbewerb unter Windschattenfreigabe
Nach der ÖTRV Sportordnung können Triathlonbewerbe – außer Mittel- und Langdistanzrennen – als Windschattenrennen ausgetragen werden, wenn vom Veranstalter die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden.
Hier gelten Unfälle aus dem Hintereinanderfahren als typischen Risikos. Sowohl der Hintermann als auch der Vordermann im „Pulk“ nehmen die Risiken des Windschattenfahrens in Kauf. Die Sorgfaltspflichten (also Abstandsregeln) sind aufgehoben oder eingeschränkt. Aber inwieweit entfallen diese Pflichten? Das wird durch eine Abwägung der Interessen geprüft. In fairen Windschattensituationen sieht die Interessenlage wohl so aus:
Im Windschatten-Pulk kommt es zu laufenden Positions-Wechseln der Beteiligten, um durch regelmäßige Entlastungsphasen im Windschatten das Leistungspotential aller Beteiligten optimal auszuschöpfen. Beim Vordermann selbst tritt auch ein eigener Kraftvorteil aus dem Windschattenfahren ein: Die bremsende Sogwirkung aus den selbsterzeugten Luft Verwirbelungen hinter ihm wird durch das Zufahren des Hintermanns zum Teil aufgehoben .
Aus dem bewussten und erlaubten Windschattenfahren mit Vorteilen für alle Beteiligen besteht ein umfassendes Handeln auf eigene Gefahr. Es kommt zur Aufhebung der Sorgfaltspflichten, die mit dem Windschattenfahren zusammen-hängen – eine haftungsfreie Situation liegt vor. Das bedeutet, es bestehen keine Schadenersatzansprüche.
Wettbewerb unter Windschattenverbot
Durch das Windschattenverbot soll den damit verbundenen Gefahren vorgebeugt werden. Grund für das Windschattenverbot ist weniger, sportlich faire Verhältnisse im Radsplit zu schaffen (dann dürfte es generell keine Windschatten-Rennen geben). Das Verbot dient vor allem der Sicherheit der Athleten, wenn es Veranstaltern aufgrund der hohen Teilnehmerzahl, den Verkehrsgegebenheiten oder aus anderen Gründen nicht möglich ist, einen sicheren Bewerb unter Windschattenfreigabe durchzuführen. Auch wenn die Wettkampf-Praxis zum Teil anders aussieht, sollten hier keine Windschatten-Situationen auftreten.
Jener Sportler, die hier eine Windschatten-Situation schafft und aufrechterhält (meist der Hintermann) wird im Schadensfall allein dafür einstehen müssen. Das heißt, er hat seinen eigenen Schaden selbst zu tragen und wird für fremde Schäden zur Gänze ersatzpflichtig.
Ein Sorgfaltsverstoß des Weiteren „Beteiligten“ (meist Vordermann) besteht nicht. Bei ihm liegt in der Regel kein Fehlverhalten liegt vor: Durch das Zufahren des Hintermanns wird der Vordermann unfreiwillig in die Windschatten-Situation gebracht. Auch taugliche Abhilfemanöver stehen dem Vordermann kaum zur Verfügung. Ein „Abreißen“ durch Erhöhung der Geschwindigkeit ist nicht möglich, da er ohnehin wettkampforientiert sein Leistungsmaximum abruft. Ruckartiges Auslenken unter permanentem Rückblick, um den Hintermann aus der Windschattenzone zu bringen, führt zur unzumutbaren Eigengefährdung, da damit die erforderliche Aufmerksamkeit in Fahrtrichtung bzw. für die weiteren Verkehrsgegebenheiten abhandenkommt.
Triathlonbewerbe, deren Teilnahmebedingungen keine konkrete Regelung zum Windschattenfahren vorsehen, verweisen (standardmäßig) auf die Geltung der StVO. Hier gilt die gleiche Haftungslage wie bei Rennen unter Windschattenverbot.
Im Training / sportliche Gemeinschaftsfahrt
Bei gemeinsamer Sportausübung außerhalb eines Wettkampfs kommt der gegenseitigen Rücksichtnahme ein höherer Stellenwert zu. Es steht nicht der individuelle Rennerfolg, sondern der gemeinschaftliche Trainingsvorteil im Vordergrund.
Inwieweit dabei ein Handeln auf eigene Gefahr vorliegt, hängt vom „Trainingskonsens“, also das Einvernehmen der Gruppe, ab.
Soweit ein Konsens zum Windschattenfahren besteht, hat der Geschädigte die Folgen selbst zu tragen. Wegen der erhöhten Rücksichtnahme auf Andere ist aber eine völlige Haftungsbefreiung des Schädigers nicht sachgerecht. Eine geteilte Haftung zwischen den Unfallbeteiligten ist angezeigt: Je schutzwürdiger der verletzte Pulk-Fahrer dabei anzusehen ist, desto geringer fällt seine Mithaftung aus und desto höher sind seine Ansprüche. Die genaue Beurteilung hängt von den Umständen im Einzelfall ab.
Versicherungsschutz als Alternative
Im Triathlonsport ist also bei Unfällen aus Windschattensituationen nur in wenigen Fällen eine Absicherung durch das Schadenersatzrecht gegeben. Umgekehrt besteht – vor allem gegenüber Außenstehenden – ein hohes Haftungsrisiko.
Damit der Athlet auf seinem Eigen-Schaden nicht sitzen bleibt und bei Fremd-Schäden nicht in die eigene Tasche greifen muss, sollte er für geeigneten Versicherungsschutz sorgen.
Durch eine ÖTRV-Jahreslizenz erfolgt der Einschluss in eine Unfallversicherung. Diese Versicherung umfasst bis zur Höhe der Versicherungssummen den Ersatz der Unfallkosten und unter den angeführten Voraussetzungen eine Entschädigung für Dauerfolgen (Invalidität). Auch eine Haftpflichtversicherung ist eingeschlossen, die zur Abdeckung von verursachten Sach- und Personenschäden dient und die Kosten im Prozess gegen den Geschädigten trägt. Weiters ist eine Rechtschutzversicherung beinhaltet, die den geschädigten Triathleten Kostenschutz für die Durchsetzung seiner eigenen Ansprüche gewährt.
Selbstverschuldete Eigenschäden an Sachen (insb. Triathlon-Rädern) sind nicht umfasst. Dazu ist der Abschluss einer eigenen Sachversicherung ratsam.
Ambitionierte Triathleten mit hohen Trainingsumfänge und Materialeinsatz sowie regelmäßigen Wettkampfteilnahmen sind den Risiken des Windschattenfahrens verstärkt ausgesetzt. In diesen Fällen empfiehlt es sich besonders, für ein individuell optimales Versicherungspaket mit dem Versicherungsbetreuer eures Vertrauens Kontakt aufzunehmen.
Über den Autor:
Dr. Mario Fluch ist begeisterter Radsportler und Triathlet. Als Anwalt der Vogl Rechtsanwalt GmbH ist er auf Schadenersatz- und Versicherungsrecht (Vor allem mit Sportbezug) spezialisiert.
Kontakt: telefon: 0660 58 48 228 | mail: fluch@vogl.or.at