Wenn man als Triathlonprofi um die Welt reist, ist man gezwungenermaßen immer mit verschiedenen neuen Herausforderungen konfrontiert. Das beginnt bereits mit der Anreise zum Wettkampf, die sich mit Flugverspätungen über Tage hinziehen kann und geht weiter mit der Ernährung, der Materialwartung und dem Training vor Ort. Als Gipfelreiz im Hinblick auf die Anpassung würde ich allerdings die Wetterkapriolen beschreiben, die mich mit erstaunlichem Timing, in allen Teilen der Welt bereits sehnlichst zu erwarten scheinen.
Das Angebot an Wetter geht von strahlendem Sonnenschein und 34 Grad bei 90% Luftfeuchtigkeit und Windstille in Cozumel/Mexiko, über 4 Grad bei Nieselregen in Edmonton/Kanada, bis hin zu Wirbelstürmen und Taifuns in Sarrasota/USA und Osaka/Japan. Auch der ein oder andere Sandsturm in Ägypten oder Abu Dhabi war bereits dabei… Optimisten – zu denen ich mich zähle – würden das Beschriebene als „vielseitige Arbeitsbedingungen mit hohem Spannungsfaktor“ beschreiben.
Nachdem das naheliegende Schicksal eines Regenrennens mich und meine Leidensgefährten ziemlich oft ereilt, tüfteln wir natürlich immer an Möglichkeiten, dem Regen und den damit einhergehenden Bedingungen ein Schnippchen zu schlagen! Die folgende „ITU Story Vol.1“ handelt von einem dieser Versuche, bei dem wir – also mein Trainingspartner Luki Hollaus und ich – leider den Kürzeren im Kampf mit dem Wolkenbruch zogen.
13. Mai 2017 – World Triathlon Series Yokohama/JPN, Olympische Distanz… 15C° & strömender Regen
Das Zitat von Forrest Gump beschreibt ganz gut, wie die Situation vor Ort aussah. Wir wussten außerdem bereits die Tage davor zu 100%, dass es eine Wasserschlacht werden würde und kannten die kurvige und glatte Radstrecke in Yokohama bereits zu gut. Was wir brauchten war ein Plan, der uns einen Vorteil auf dem glatten japanischen Großstadtasphalt bot. Die Idee kam prompt von unserem Coach Toni:
VITAMIN C für die Reifen in Form von Zitronensaft, den wir großzügig auf unseren Conti’s verteilen sollten. “Die Säure im Zitronensaft öffnet die Poren des Reifengummis und ermöglicht euch mehr Reibung in der Kurve. Damit fahrt ihr auf glatter Oberfläche allen um die Ohren!“, soweit der Theorieteil unseres ausgefuchsten Spezialplans. Wir zogen also los und versuchten im japanischen Großstadtjungel Zitronen zu ergattern… vergeblich!
Nachdem wir in 2 SevenEleven Shops und einem Lawsons nach Zitronen gefragt hatten gaben wir auf und wandten uns an den Barkeeper hinter unserer Hotelbar. Dieser half uns mit einer streng limitierten und äußerst genau abgezählten Menge von exakt 12 hauchzart aufgeschnittenen Limonenscheibchen à la „Mojito de la Casa“ auf die Sprünge. Teil eins des Plans: CHECK!
Man muss dazu sagen, dass am Wettkampftag ein derartiges Sauwetter herrschte, dass man sich auch mit dem Surfbrett auf der Straße fortbewegen hätte können. Wir waren durchnass als wir in der Wechselzone ankamen! Teil zwei erfolgte dann beim Check-In unseres Bikes in der Wechselzone. Mit dem Selbstvertrauen und den geübten Handgriffen eines Chefchirurgen, sowie den teils verunsicherten und teils belustigten Blicken unserer Konkurrenz im Nacken, begannen wir mit viel Liebe und Zuneigung unsere Reifen durch die Zitronen zu ziehen. Am Ende blieben lediglich die Schalen der Zitronen übrig… der Rest zierte unsere Reifen. In unserer Vorstellungen waren wir nun dazu im Stande das Wasser zu teilen, wie es einst schon Moses am roten Meer getan hatte.
Dann kam erstmal Triathlon ‚as usual‘: Startvorbereitung PiPaPo, Schwimmen, ein kurzer Sprint in die Wechselzone und rauf auf den Vitamin-Bock. Luki fuhr an dem Tag außerirdisch und schien alleine nach vorne in die Hauptgruppe zu radeln. Auch mein Fahrgefühl war positiv, wissend von dem Umstand, dass mich die Zitronen unseres charmanten Barkeepers sanft durch jede Kurve tragen würden. Bezahlt wurde allerdings noch immer zum Schluss und Luki bekam die Rechnung schneller als gedacht:
Das Fruchtfleisch der Zitronen war zwar ebenfalls sauer, aber dafür umso rutschiger. Außerdem hatte Luki beim Einreiben der Reifen einen gewissenhafteren Job gemacht und so zerriss es ihn auf einem Film aus Wasser und Zitrone. Währenddessen fuhr ich immer noch wie beflügelt und wunderte mich nur sehr kurz, dass Luki plötzlich wieder in derselben Radgruppe Platz genommen hatte, der auch im mich verschrieb. Erst im Ziel tauschten wir uns darüber aus und ich erfuhr, wie es ihm auf seinem fruchtigen Zitrus-Ritt ergangen war.
In der darauffolgenden Analyse mit unsere Trainer stellte sich schließlich heraus, dass ganz im Gegensatz zur Zubereitung eines Soda-Zitrone, ein Schluck Zitronensaft-Konzentrat aus der Flasche gereicht hätte, um den gewollten Effekt bei der Präparation unserer Reifen zu erzielen. Einen Tag danach konnten wir über das Missverständnis eh schonwieder lachen und es kamen Gags wie “in der Schale stecken aber die meisten Vitamine“.
Beim Abendessen im Kreise des Nationalteams blieb uns nichts anderes übrig, als den Tatsachen ins Auge zu sehen und mit einem Soda Zitrone auf das PLUS an Erfahrung anzustoßen. Sauer macht ja bekanntlich lustig!